TALIS befragte Anette Rosenberg, Personalentwicklung EUROVIA, wie man sich bei einem Bauunternehmen erfolgreich bewirbt.
Wer mit dem Auto von Berlin nach München unterwegs ist, durchfährt etwa in der Mitte der Strecke eines der derzeit größten Autobahn-Projekte Deutschlands. Über eine Länge von 19 km wird auf der A9 zwischen den Anschlussstellen Dittersdorf und Schleiz die vierspurige Strecke rückgebaut und bis Ende 2014 aus sechs Spuren erweitert. Insgesamt werden dort rund 2,8 Mio. m3 Boden ab- und aufgetragen sowie 550 000 m3 Betondecke hergestellt. Federführend bei diesem Projekt mit einem Volumen von 210 Mio. Euro ist die Eurovia, ein Tochterunternehmen des französischen Vinci-Konzerns, der im europäischen Bauranking auf dem ersten Platz steht.
Die 1997 gegründete Eurovia deckt in Deutschland die gesamte Wertschöpfungskette des Verkehrswegebaus ab. Das Leistungsspektrum reicht von der Rohstoffgewinnung, der Produktion und dem Recycling von Straßenbaumaterialien, der Projektplanung und Bauausführung bis hin zur Bewirtschaftung und Instandhaltung von Infrastrukturen, doch der Löwenanteil entfällt mit gut 80 % auf den Straßen- und Wegebau. „Deutschland ist derzeit in 24 Hauptstandorte aufgegliedert, 17 davon sind Straßenbauniederlassungen“, verdeutlicht Anette Rosenberg. Nach dem Studium der Arbeits- und Organisationspsychologie arbeitete sie im Personalbereich verschiedener Unternehmen. Seit Mai 2007 leitet sie den Bereich Personalentwicklung am Eurovia-Hauptstandort Bottrop. Während die Einstellung gewerblicher Mitarbeiter in den einzelnen Niederlassungen angesiedelt ist, findet die Auswahl von Führungskräften sowie Hochschulabsolventen, die bei Eurovia als Trainees beginnen, für alle Standorte zentral in Bottrop statt.
Bei der Suche nach neuen Mitarbeitern werden alle gängigen Kanäle genutzt – Portale wie Stepstone oder Bauingenieur24 oder bei spezifischen Positionen auch die Tagespresse. Arbeitssuchenden sei aber vor allem ein Blick auf das kürzlich relaunchte und übersichtlich gestaltete Karriereportal des Unternehmens empfohlen. Unter den Menüpunkten „Berufserfahrene“, „Absolventen“, „Studenten“ und „Schüler“ finden sich die jeweiligen Jobangebote. Ein Klick auf die Unternehmens-Website lohnt sich: Im April 2013 wurden vier Trainees für die Bauleitung sowie einer für den Bereich Kalkulation gesucht. Direkt von der Stellenbeschreibung gelangt der Interessent auf das Bewerbungsformular. Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse und weitere Anlagen lassen sich problemlos hochladen. Diese Art der Bewerbung ist schnell, praktisch und verursacht keiner Seite unnötige Portokosten. Insofern verwundert es nicht, dass Anette Rosenberg die Online-Variante der klassischen Bewerbungsmappe vorzieht.
Interesse signalisieren
Auf die Frage, wie ein überzeugendes Anschreiben aussehen sollte, nennt sie zunächst ein Gegenbeispiel: „Hiermit bewerbe ich mich auf die von Ihnen ausgeschriebene, sehr interessante Position. Ich bin teamfähig, freundlich, habe mein Studium abgeschlossen und freue mich auf Ihre Rückmeldung.“ Wer in dieser Art schreibe, der signalisiere kein wirkliches Interesse. Ein Anschreiben, das Eindruck hinterlasse, habe „eine gute Struktur und einen relativ hohen Lesekomfort“. Außerdem sollte „eine klare Motivation zu erkennen sein, warum der Bewerber im Verkehrswegebau und in der Bauausführung arbeiten möchte“. Rechtschreibfehler sollten sich in Grenzen halten, „sie sind heute aber kein Ausschlusskriterium mehr“.
Die Eurovia wurde 1997 gegründet und ist eine Tochtergesellschaft von VINCI, einem der global führenden Bau- und Konzessions-unternehmen. Sie generiert weltweit nahezu ein Viertel des Konzernumsatzes. Das Unternehmen ist in 16 Ländern aktiv. Im Jahr 2011 erwirtschafteten 3 974 Mitarbeiter einen Umsatz von 918 Mio. Euro. Mit 79 % ist der Straßen- und Wegebau der größte Geschäftsbereich, es folgen Asphaltproduktion (12 %) und Rohstoffproduktion (9 %).
Wichtige Projekte der Eurovia waren bzw. sind der sechsspurige Ausbau/Neubau der A4 Eisenach-Görlitz mit einer Auftragssumme von 66,2 Mio. Euro (PPP), die im Oktober 2012 abgeschlossene Sanierung der A40 (Ruhrschnellweg) oder der Ausbau der A9 zwischen den Anschlussstellen Dittersdorf und Schleiz. Dieses PPP-Projekt mit einem Volumen von 210 Mio. Euro soll Ende 2014 fertiggestellt sein.
Als Anlage werden Zeugnisse und Nachweise über Praktika erwartet, da sie Aufschluss über etwaige Vertiefungen geben. Die Absolventen sollten über den Bachelor verfügen, bei einer Tätigkeit im Ingenieur- oder Brückenbau wird der Master-Abschluss vorausgesetzt. Fremdsprachenkenntnisse spielen praktisch keine Rolle, denn die Straßenbauprojekte finden fast ausschließlich in Deutschland oder im angrenzenden Ausland statt.
Bevor es zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch kommt, findet ein Telefoninterview statt, in dem wichtige Eckpunkte angesprochen werden. „Vielen Bewerbern ist nicht wirklich klar, was Bauausführung bedeutet. In dem Telefonat gehen wir darauf ein, was zu den Aufgaben eines Bauleiters gehört, dass man viel unterwegs ist, dass technische Lösungen vor Ort gesucht werden müssen und dass man auch mit der Abrechnung beschäftigt ist“, beschreibt Rosenberg. Wenn „beide Seiten eine Sprache sprechen“, dann wird der Bewerber zum Erstgespräch nach Bottrop eingeladen. Daran nimmt neben der Leiterin der Personalentwicklung eine Mitarbeiterin teil.
Verbindlichkeit führt zum Ziel
Im Mittelpunkt des Gesprächs steht das gegenseitige Kennenlernen. Ob konkrete Projekte besprochen werden, hängt vom bisherigen Lebenslauf des Bewerbers ab. Hat er im Rahmen eines Praktikums bereits ein Teilprojekt geleitet, so kann an diesem Beispiel der Umgang mit Menschen, der Umgang mit Konflikten oder die Durchsetzungsfähigkeit thematisiert werden. „Gern lassen wir uns die Abschlussarbeit erklären, um zu sehen, wie gut der Bewerber abstrahieren und erklären kann“, so Anette Rosenberg. Ein Vorstellungsgespräch sei immer eine Ausnahmesituation, daher versuche sie gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin eine Teamsituation zu schaffen, in der sich der Bewerber gut fühlt. „Dann erzählen wir etwas, sprechen über typische Arbeitssituationen, eine von uns macht vielleicht einen Witz. Der Bewerber muss an diesem Austausch über den Berufsalltag teilnehmen und in diesem Team einem Platz finden“, erklärt sie. Wer hierbei offen auftritt, zur Begrüßung die Hand reicht, seinem Gegenüber in die Augen schaut, sich im Vorfeld über das Unternehmen informiert hat, Position ergreift und verbindlich wirkt, der kommt schnell einen Schritt weiter. Wer den beiden Frauen aber ständig ins Wort fällt, Dinge arrogant von oben herab erklärt oder stark hierarchisch geprägt ist, der kommt gar nicht gut an. Gleiches gilt, wenn sich jemand alle Optionen offenhalten will – „das zeugt nicht von Verantwortungsbewusstsein“, sagt die Leiterin der Personalentwicklung.
Privates, Persönliches oder die Hobbys des Kandidaten haben im Vorstellungsgespräch ihrer Ansicht nach nichts zu suchen. „Als das noch ganz neu und unbekannt war, erwähnte ein Bewerber, dass er Geocaching betreibt, das haben wir uns aus Neugierde erklären lassen“, erinnert sie sich, generell gelte aber: „Job ist Job und Privates ist Privates.“ Aus einem sportlichen Engagement Rückschlüsse auf die Teamfähigkeit zu ziehen, empfindet sie als schwierig, denn wie solle man jemanden bewerten, der gern Fahrrad fährt? Teamfähigkeit dürfe darüber hinaus nicht mit Geselligkeit verwechselt werden: „Es geht nicht darum, einen Mitarbeiter zu finden, der immer für gute Stimmung sorgt und mit dem man gern den Feierabend verbringt, sondern jemanden, der in der Lage ist, benötigte Informationen einzuholen und diese gut und erschöpfend weiterzugeben – auf eine wertschätzende, freundliche Art,“ In der Zusammenarbeit gehe es in erster Linie um das Erreichen eines gemeinsamen Zieles.
Systematische Einarbeitung
Wer bei der ersten Runde in Bottrop und auch beim zweiten Gespräch am geplanten Einsatzort überzeugend aufgetreten ist, der beginnt bei Eurovia als Trainee. Im Gegensatz zu Trainee-Programmen manch anderer Unternehmen handelt es sich hier um ein „Training on the job“. Die von vornherein mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag ausgestatteten jungen Mitarbeiter arbeiten in einer Niederlassung und werden drei Jahre lang systematisch in den Job des Bauleiters eingearbeitet. Zunächst durchlaufen sie die Kolonnenleiterphase, in der die Arbeitsabläufe auf der Baustelle und die technischen Lösungen vor Ort vermittelt werden. Ab dem zweiten Jahr folgt schrittweise die Übernahme eigener Projekte. Unterstützt wird die Entwicklung mit Hilfe eines umfangreichen Weiterbildungsangebots in den Bereichen Baustellenwissen, EDV, Recht und persönliche Kompetenzen – Kommunikation, Grundlagen des Führens, Zeitmanagement. Angenehmer Nebeneffekt der Seminare ist die Vernetzung der meist mehr als 50 Trainees. „Es besteht die Möglichkeit, sich über Freud und Leid auszutauschen, und es ist natürlich viel einfacher, über Anfängerfehler mit jemandem zu sprechen, der sich in der gleichen Lebenssituation befindet, als mit einem altgedienten Meister“, sagt Rosenberg. Sie selbst trifft die Trainees in mehreren persönlichen Gesprächen oder auch bei den durch sie begleiteten Kommunikations- und Führungsseminaren. Sollte es Schwierigkeiten geben, tritt sie zudem als Coach in Erscheinung. Außerdem steht jedem Trainee über die gesamte Trainee-Phase ein fachlicher Ansprechpartner zur Seite.
Interessierten und motivierten Mitarbeitern bieten sich zahlreiche Perspektiven. „Wir rekrutieren unsere Führungskräfte zu über 90 % aus dem eigenen Stall“, berichtet Anette Rosenberg. Gute Bauleiter können zu Oberbauleitern oder Projektleitern aufsteigen oder auch in Fach- und Stabsabteilungen gehen. Hierzu werden zahlreiche Qualifizierungen und High-Potential-Programme für Management-Aufgaben angeboten. „Einige Niederlassungsleiter haben bei uns als Trainees angefangen und unser Geschäftsführer hat seinerzeit als Straßenbauer im Unternehmen begonnen. Unseren Mitarbeitern stehen also alle Türen offen“, schließt die Leiterin der Personalentwicklung. ■