Da läuft doch was schief: Auf der einen Seite müssen Bauunternehmen Aufträge ablehnen, weil ihnen Fachkräfte fehlen. Und auf der anderen Seite bleiben zahlreiche gut ausgebildete Architektinnen und Bauingenieurinnen mehr oder weniger freiwillig zu Hause, um sich um den Nachwuchs zu kümmern. Tatsächlich – das wissen wir aus eigener Erfahrung – ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hierzulande kein einfaches Projekt. Und doch möchten wir die Werbetrommel drehen für ein Lebensmodell, bei dem zugegebenermaßen dringend nachgebessert werden muss, das wir alle jedoch dringend brauchen.
Das lässt sich schon allein daran festmachen, dass familienfreundliche Unternehmen mit Auszeichnungen gewürdigt werden und berufstätige Mütter in Führungspositionen Seltenheitscharakter haben. Tatsache ist aber, dass der Fachkräftemangel nur mit familienfreundlichem Arbeitsumfeld behoben werden kann. Wer das erkannt hat, wird im Wettbewerb um die besten weiblichen Köpfe die Nase vorn haben, die Mehrzahl der Arbeitgeber innerhalb der Baubranche hat sich diesbezüglich jedoch noch nicht einmal auf den Weg gemacht. Trübe Aussichten also für eine Bau-Karriere mit Kind?
Eltern gehören nicht nur zum Kreis der Eingeweihten, die wissen, dass „Pekip“ keine Kinderkrankheit ist. Plötzlich gewinnt der Faktor Zeit eine ganz neue Bedeutung, wird zu einer Art kostbaren Währung, die wohlüberlegt investiert sein will. Deshalb wissen wir Wäschetrockner oder Klettverschlüsse an Kinderschuhen als zeitsparende Erfindungen zu schätzen, deshalb verfluchen wir den Winter mit seinen endlosen An- und Ausziehorgien und seinen Viren und Bakterien, die uns zwingen, mit schniefendem und hustendem Kind zu Hause zu bleiben, denn kranke Kinder können nicht fremdbetreut werden. Und wenn die Mama nach dem Frühstück die weiße, frisch gebügelte Bluse umziehen muss, weil ein kuschelbedürftiger Zwerg ausgerechnet ein Erdbeermarmeladenbrot verdrückt hat, spätestens dann wird sie sich überlegen, wann es an der Zeit ist, Business-Kleidung anzulegen – nämlich erst kurz vorm Verlassen der Wohnung. Je mehr Organisation und gutes Zeitmanagement das Leben bestimmen, umso eher stellt sich ein Gefühl der Zufriedenheit ein – sowohl zu Hause als auch im Beruf. Das wird nicht immer gelingen. Es wird Tage geben, an denen alles schiefzulaufen scheint: Ein unzufriedener Bauherr paart sich gern mit einem bockigen CAD-Programm, das nicht so will, wie es der Softwarehersteller eigentlich versprochen hat. Dann gesellt sich zu einer verspäteten S-Bahn ein Anranzer von der Kindergärtnerin, die (natürlich zu Recht), fragt, warum sie schon wieder nicht pünktlich gehen kann. Und schließlich wird sich noch ein randalierender, schlecht gelaunter Dreijähriger im Supermarkt auf dem Boden winden, weil ihm Mama die Zustimmung zu übermäßigem Gummibärchenkonsum verweigert hat. Schnell kommen Zweifel auf: „Warum tue ich mir das an?“ Die Antwort liegt in den zahlreichen positiven Erfahrungen, die dieses Lebensmodell eben auch zu bieten hat: Ein Lob für gute Arbeit, ein fröhliches Kindergesicht, wenn Papa eine Kleinigkeit von der letzten Dienstreise mitbringt und auch der Blick aufs Konto, der zahlenmäßige Beweis für finanzielle Unabhängigkeit – all das motiviert zum Weitermachen.
Es klingt paradox, aber gerade aus dem Auf und Ab im Alltag berufstätiger Mütter und Väter lässt sich Kapital schlagen – bedauerlicherweise haben das die meisten Arbeitgeber noch nicht begriffen. Stattdessen werden Lehrgänge teuer bezahlt, in denen die Theorie zu Zeitplanung, Organisation, Ideenfindung und Teamfähigkeit vermittelt werden soll. Doch kaum jemand bringt einem diese Tugenden besser bei als die eigenen Kinder. Eltern bewegen sich stets in einem prallgefüllten Raum voller schneller Entscheidungsfindungen und Kompromisslösungen. Mal sind sie Hardliner (keine Kekse vorm Abendbrot …), mal nachgiebig (na gut, noch einmal rutschen, aber dann gehen wir nach Hause …), sie setzen Prinzipien durch (bitte und danke sagen …), und schmeißen einige, die sich als nicht durchsetzbar erweisen, über Bord (kein Fernsehen …). Eltern bleibt gar nichts anderes übrig, als lösungsorientiert zu agieren. Die Entwicklung von effizienten Methoden, wie sich das kostbare Gut „Zeit“ klug nutzen lässt, so dass keiner zu kurz kommt – auch sie selbst nicht –, sind immer wieder aufs Neue gefragt. Die Familie ist ein optimales Versuchsfeld, um diese auszuprobieren und bis zur Serienreife weiterzuentwickeln. Die Brücke zu kundenorientiertem Handeln, zu Teamfähigkeit und Kreativität – all dass was im Beruf gefordert wird – ist kurz. Das muss sich nur noch herumsprechen.
Selbständigkeit – eine erstrebenswerte Alternative?
Die Selbständigkeit wird oft im Zusammenhang mit der Vereinbarkeits-Thematik als erstrebenswerte Alternative genannt. Sicherlich hat es gewisse Vorteile, sein eigener Chef zu sein, trotzdem ist auch die Selbständigkeit nicht gleichzusetzen mit einem sorgenfreien Arbeits- und Familienleben. Was viele Selbständige mit Kindern als sehr angenehm empfinden, ist der Wegfall des Rechtfertigungsdrucks gegenüber Vorgesetzten und Kollegen. Ein genervtes Augenrollen, wenn das Kind schon wieder krank ist, müssen sie nicht über sich ergehen lassen. Ein fieberndes Kind bleibt zu Hause – ganz einfach, denn einen Auftraggeber interessiert es zunächst einmal nicht, ob der Nachwuchs unterm Schreibtisch den Papierkorb ein- und ausräumt. Flexibität gilt für alle Arbeitsbereiche: Das fängt bei der Arbeitszeitgestaltung an und hört beim Arbeitsort nicht auf. Ob Sie nachts über Plänen hocken oder morgens früh, mit oder ohne Baby auf dem Schoß, am Küchentisch oder unterwegs im Zug, ist allein Ihre eigene Entscheidung. Doch die Kehrseiten der Medaille können mitunter schwer wiegen. Denn natürlich unterliegen auch Selbständige Zwängen und kommen nicht ohne Absprachen aus. Den Besichtigungstermin einer Baustelle mit mehreren Beteiligten mir nichts dir nichts einfach absagen – das kann man zwar machen, aber die Folgen können bis zum Auftragsentzug reichen. Selbstständige müssen eigenverantwortlich handeln und zwar uneingeschränkt. Das bedeutet möglichst immer „Plan B“ in der Tasche zu haben, zum Beispiel einen Vertreter einspringen zu lassen, wenn man selbst mit Grippe darniederliegt, oder die Schwiegermutter anreisen zu lassen, die sich im Fall der Fälle um ein krankes Kind kümmern kann, wenn ein wirklich wichtiger Termin ansteht. ■